Kennst du diese Tipps? „Leg dir für jede gelesene Seite ein Gummibärchen hin!“ „Belohn dich nach dem Sport mit einem warmen Bad!“ „Gönn dir nach dem Aufräumen ein gutes Buch!“. Das Subtext: „Belohnung ist wichtig, baue sie überall ein.“
Mein erster Gedanke dabei: Äh, warum?
Ich bin erwachsen, hab Geld auf dem Konto und die Selbstbeherrschung eines hungrigen Welpen, wenn Mama-Hund zum Säugen vorbeikommt. Wenn ich Lust auf Gummibärchen, ein Bad oder ein Buch habe, dann mache ich das einfach. Warum sollte ich mir diese Sachen künstlich verknappen und als „Belohnung“ deklarieren?
Das nimmt dem Ganzen nämlich komplett den Spaß. Aus „Wow, ein entspannendes Bad!“ wird plötzlich „Okay, das ist jetzt meine verdiente Belohnung für 30 Minuten Staubsaugen.“ Riecht alles sehr nach Kindergarten, oder?
Meine Anti-Belohnungs-Einstellung – und warum klassische Tipps nicht ziehen
Ein Fleißsternchen für die Hausaufgaben, ein Smiley für die gelöste Rechenaufgabe und ein Sticker für die gute Mitarbeit: das waren Systeme aus der Schule, die ich gehasst habe. Und als Erwachsener mit ADHS zieht das erst recht nicht mehr.
Wenn-dann-Systeme scheitern nämlich genau an dem Aspekt, wo mir Selbstbeherrschung und Einsicht fehlen. „Micro-Rewards“ sind genauso absurd: Einen Coffee-to-go, wenn ich 50 Euro gespart habe? Hä? Dann spare ich also, um Kaffee zu trinken? Das ist doch Quatsch.
Was auf einen zweiten Blick funktioniert, sind Gehaltserhöhungen oder Sonderzahlungen, aber das fällt meist doch eher in die Kategorie „Schmerzensgeld“ statt Belohnung, zumal die nicht von mir kommt. Also auch nicht die Lösung.
Es scheint also kompliziert: Mein innerer Rebell sabotiert mich dabei selbst. Wenn ich sage „Nach diesem Blogartikel belohne ich mich mit einem Spaziergang“, geht in mir sofort die Sirene an: „Blödsinn! Den machst du, wenn dein Körper das sagt, nicht wenn dein Ego das sagt!“
Resultat? Den Artikel schreibe ich entspannt nach dem Spaziergang. Flutscht plötzlich.
Ich habe mit der Zeit gelernt: Ich kriege mein Dopamin nicht durch klassische Strategien, sondern durch emotionale Erleichterung.
Mein Zettel-Weg-System: Feedback statt Belohnung
Weißt du, wo Belohnung quasi auch ständig vorkommt? Dieses „BLING“ wenn du in einem Spiel einen Erfolg freischaltest. Oder das befriedigende droppen eines Items, wenn du in Minecraft einen Mob erlegt hast. Oder das Blutspritzen wenn du im Ego-Shooter einen abknallst. Oder wenn in Tetris die Reihen verschwinden, nachdem endlich die 4er-Reihe kommt. Aber EIGENTLICH ist erstmal nur Information: „Yo, Mission accomplished.“
Aber – und hier wird’s spannend – Games nehmen dieses neutrale Feedback und machen eine Belohnung draus. Mit Extra-Effekten, Punkten, Konfetti. Belohnung und Feedback hängen also eng zusammen, sind aber nicht dasselbe.
Feedback sagt dem System: „Oh, da ist was passiert.“ Mehr nicht. Neutral. Ehrlich. Und interessant ist: Dopamin wird ja gar nicht zwingend bei den Belohnungen selbst ausgeschüttet, sondern eigentlich bei dem, was wir damit verbinden.
Ich hab ein Whiteboard mit kleinen Zetteln für tägliche „Arbeitsaufgaben“Wartungsaufgaben“ (hier habe ich schonmal davon erzählt) und andere wichtige Dinge. Ist eine Aufgabe erledigt, wandert der Zettel in ein Glas. Jeden Sonntag (okay, manchmal Montag) wird das System resettet. Fertig.
Das Zettel-Wegnehmen ist dabei reizarmes aber funktionales Feedback: Ich sehe es visuell, ich mache es händisch, und mein Spatzenhirn freut sich mehr über diese kleine Aktion als über den Umstand, dass das Bad jetzt sauber ist. Es ist keine Belohnung im klassischen Sinne – es ist einfach nur die Rückmeldung: „Check, wieder was geschafft. Fühlt sich gut an.“ Das GEFÜHL ist das wichtige! Manchmal mache ich Dinge hauptsächlich für diesen absurden Prozess (geputzte Fenster, ich schiele auf euch). Und es funktioniert so erstaunlich gut, dass alleine das wie eine Belohnung wirkt 😀
Gamification könnte man das wohl nennen. Aber ohne (bzw. mit weniger) die manipulativen Aspekte klassischer weil konditionierender Belohnungssysteme.
Der wahre Grund: Beziehung zu Belohnung und psychologische Hintergründe
Wenn ich ehrlich bin: Ich habe ein gestörtes Verhältnis zu Belohnungen. Früher hab ich mich gerne mal mit Alkohol belohnt, und… nun ja, das hat ja nicht so gut funktioniert. Seitdem bin ich skeptisch, wenn jemand sagt: „Gönn dir was, du hast es verdient!“. Ich muss mir nichts gönnen, um mich wertvoll zu fühlen. Nicht mehr.
Außerdem ist das ganze Thema Belohnung psychologisch und soziologisch gesehen ein Minenfeld. Sternchen-Systeme und Co. haben viel damit zu tun, jemanden dahin zu formen, wo jemand anderes ihn gerne haben will. Aber diese Büchse der Pandora machen wir jetzt mal nicht auf. 😉
Fazit: Feedback ist der bessere Weg (für mich)
Belohnungen sind überbewertet. Feedback ist unterbewertet. Und manchmal ist der beste Lohn für getane Arbeit einfach das Gefühl: „Check, wieder was geschafft.“
Falls du auch zu den Menschen gehörst, die bei „belohne dich selbst“ innerlich die Augen verdrehen: Du bist nicht allein. Mach einfach dein Ding.
Und wenn du kreative Feedback-Systeme hast, teile sie als Kommentar, ich bin immer auf der Suche nach neuen Ideen (für die Spannung ;-))


