Es ist Heiligabend 2025. Das erste Mal seit mein Kind auf der Welt ist, verbringe ich Heiligabend ohne ihn.

Und bevor jetzt jemand denkt „Oh nein, du Arme“ – ganz ehrlich: Für mich ist das ein ganz schönes Highlight. Ich habe mich sehr auf diese Tage gefreut, weil ich meinem Rhythmus folgen kann, die Rolle der Mutter ablegen kann (so gut es eben geht), einfach bei mir sein kann und hingehen kann, wohin ich gehen will, ohne meine Aufmerksamkeit teilen zu müssen.

Im Vorfeld gab es viel Hin und Her, wieder eine Enttäuschung durch seinen Vater, eine kinderfreie Nacht wurde mir quasi gestohlen. Und trotzdem, oder gerade deswegen, habe ich mir den Heiligabend sehr, sehr schön gemacht.

Worum es in diesem Artikel geht: Um meinen Dezember, um dieses Jahr, um zwei große Landmarken, die im Rückblick immer wichtig sein werden, und um die Erkenntnis, dass ich immer mehr danach entscheide, was mir guttut – nicht, was ich tun sollte.

Dies ist kein durchoptimierter Artikel. Es ist auch das Aufwachen nach einem kleinen Content-Freeze 😀

Eine große Inspiration für diesen persönlichen Rückblick war Tina Winzers Artikel zum „Slowvember“ – ein toller und sehr lesenswerter Artikel, der mich inspiriert hat, einen “Slowzember” zu verbringen. Lest unbedingt bei ihr rein!

Mein Heiligabend in a Nutshell

Erst war ich auf einem AA-Meeting (Anonyme Alkoholiker, für alle, die nicht wissen, wofür die Abkürzung steht). Ich liebe diese Meetings, da kommen oft Leute, die ich lange nicht gesehen habe. Mein bester Freund und ich bieten seit 4 Jahren Heiligabend und Silvester bewusst Meetings am Vormittag an. Es sind schwierige tage, gerade für Menschen in Genesung.

Danach habe ich meinen Opa aus dem Seniorenheim geholt und bin mit ihm auf den Friedhof gefahren, um meiner Oma ein Grablicht und Blumen zu bringen. Sie ist Anfang des Jahres friedlich eingeschlafen, so wie sie es sich gewünscht hat. Mein Opa hat sich das erste Mal darauf eingelassen, sich in einem Rollstuhl kutschieren zu lassen (er hasst es, ich verstehe es), und es ist schon eine Ehre für mich, dass er es bei mir zulässt. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als endlich zu seiner Frau zu können, und ich verstehe auch das. 

Danach kamen mein Papa und meine wundervolle Stiefmutter ins Seniorenheim und wir haben zu viert noch schöne 2 Stunden im Andachtsraum verbracht. Das war auch etwas besonderes, denn seit der Trennung meiner Eltern vor vielen Jahren habe ich meinen Papa nie an Heiligabend gesehen. Es war einfach schön, ruhig, freudvoll, und wir führen immer tolle, tiefe Gespräche. 

Anschließend bin ich noch zu meiner Mutter gefahren. Wir haben Kartoffelsalat und Wiener gegessen, was ein Novum und “Traditionsbruch” ist: das erste Mal keine große Familienzusammenkunft bei ihr zu Heiligabend, auch schwierig für sie. Die Kinder haben halt mittlerweile ihre eigenen Familien. Da ich keinen Partner habe und kindfrei hatte, blieb ich noch 2 Stunden dort und bin dann nach Hause gefahren. 

Ich kann so gut mit mir alleine sein, und ich bin so gerne alleine. Es war für mich ein wundervoller Tag, das kann gerne öfter so sein.

Dezember 2025 – scheiß auf „Ich müsste“ 

Ich war sehr still im Dezember, auch was den Blog betrifft. Und holy shit, hat das was mit mir gemacht – jede Woche, die verging, in der ich keinen Blogartikel geschrieben habe. Ich dachte immer: „Oh, ich müsste doch“ und „Ich sollte doch“. Und dann habe ich gemerkt: Herr Gott nochmal, es ist gerade halt keine Priorität. Ich WILL gerade nicht. 

Scheiß auf irgendwelche Google Rankings. Ich bin die Nummer eins in meinem Leben, und wenn meine Zeit und meine mentalen Kapazitäten nicht erlauben, dass ich mir drei, vier Stunden für einen Blogartikel nehme, dann ist das eben so.

Ich habe daraus drei Dinge gelernt:

  1. Ich schaffe es, mein schlechtes Gewissen und meine Selbstvorwürfe zu händeln.
  2. Es passiert nichts Schlimmes. (Okay, wirklich. Nichts.)
  3. Ich darf ein bisschen mehr vorbereiten (Notiz an die Zukunfts-Katarin :D).

Für mich war der Dezember die letzten Jahre, wie für relativ viele Menschen, ein sehr angespannter, stressiger Monat. Monatsabschlüsse, diese ganze Geschenke-Scheiße, sich überlegen, wer was wann wie wo bekommt und wie man all die sozialen Termine unter einen Hut bekommt. Das wollte ich dieses Jahr so nicht mehr.

Ich wollte meinem Rhythmus folgen, leben, was ich gelernt habe, und ja, nicht voller Anspannung durch die letzten Wochen gehen.

Ich wollte (und konnte) für mein Kind sehr präsent sein, was sehr, sehr wichtig war. Er ist dieses Jahr in die fünfte Klasse gekommen, und wir sind ja auch umgezogen – das macht viel mit einem Zehnjährigen, der so sensibel ist und auch seine Special Effects hat (ja, Special Effects, nicht Needs – so nennen wir das bei uns). Und ich bin für mich zur Ruhe gekommen.

Trotzdem kickte noch mein ADHS rein, und ich dachte: „Das wird schon hinhauen mit der Zeit.“

Nee. Tut’s nicht. Ich habe mir zu viel vorgenommen, was selbstgemachte Geschenke betrifft (sooooo crazy, ich habs kommen sehen und zugelassen :D) Ja ey, dann ist das so. Ich steh dazu, und auch hier: Es passiert nichts Schlimmes. Einige kriegen ihre Geschenke etwas später, aber ich bin mittlerweile sehr gelassen, und kann für mich sagen: Ich habe das richtig gut gemacht. Der Dezember war ok und einer der besten seit langem. Was ich vor allem daran gemerkt habe, dass ein kleiner Funken Vorfreude auf die Weihnachtszeit da war (ein Novum!)

3 Memes zu ADHS

Häkeln – Wenn das Dopamin ruft

Ich habe mir ein neues Winterhobby gesucht, das mache ich jedes Jahr (kennste? :D) Das hat mich sehr in seinen Bann gezogen, weil es mich unheimlich beruhigt und erdet. 

Ich hatte neulich ein Gespräch mit einer Psychologin (ganz feine Frau, wirklich), und sie fragte mich: „Was ist denn aktuell Ihre Art zu entspannen und sich zu beruhigen?“

Früher war es Saufen, dann Social Media als eine Art von Betäubung, und ich war immer aktiv. Ich bin immer noch ein aktiver Mensch, ich schaffe jeden Tag locker viel zu viel (hust).

Und sie fragte mich, was aktuell, wo ich ja weder saufe noch Social Media aktiv nutze, meine “Entspannungstechniken” sind, meine Ablenkungsimplantate. Tja. Dieses Jahr ja offenbar häkeln. 😀 

Dieses Maschen zählen, dieses dem Unperfekten Leben geben… 

Mein erstes Projekt (und der ADHS-Gedanke: „Ich mache jetzt JEDEM was!“)

Mein erstes Projekt war ein Tuch für meine beste Freundin, an dem ich fast einen Monat gesessen habe. Man sieht meinen Fortschritt in diesem Tuch, wie die Maschen regelmäßiger werden etc. Das hat mich immer so runtergebracht. Ich hatte das Ding dann fast überall mit, immer mal ein paar Reihen oder auch mal eine halbe Stunde gehäkelt.

Und natürlich kam dann – so typisch ADHS – der Gedanke: „Ich mache jetzt jedem was!“

Und dieser Gedanke hat immens gekickt. Plötzlich hatte ich jede Menge Projekte vor mir, und natürlich habe ich mich zeitlich extrem vertan und verschätzt. (Ich kann mich halt doch auch ziemlich gut selbst verarschen.) Aber wenn das Dopamin ruft, dann nehme ich das, was geht. Ich muss und will mich nicht ständig selbst optimieren, ich will mich auch mal treiben lassen. Und das Hobby hat mir auch super Ausreden geliefert, keinen Blogartikel zu schreiben – denn ich musste ja lieber meine Häkelprojekte fertigmachen. 😉

Bild von Häkelwerken von Katarin - Katzen, Totoro, Kuh, Einhorn, Tuch
Mein Kind wollte viele Katzen gehäkelt haben 😀

Mal gucken, was ich damit nächstes Jahr mache. (Ich habe jede Menge Wolle und viele angefangene Projekte.) Bis so ca März hab ich aber bestimmt noch zu tun, alle Projekte fertig zu machen. Ich muss da einfach immer sehr über mich selber lachen 😀

Neue Routinen – Eine AuDHS-Erleuchtung

Mit meiner im Dezember begonnenen Beschäftigung im Bestattungshaus (dazu gleich mehr) kamen auch neue Routinen, die ich für mich finden musste, weil – so wie ich es vorher gemacht habe, ging es zeitlich nicht mehr.

Wenn ich Feierabend hatte, wusste ich aus Erfahrung: Ich werde keinen Sport machen. Ich brauche mir auch nicht zu sagen: „Wenn ich nach Hause komme, gehe ich spazieren“ – denn wenn ich nach Hause komme und es ist dunkel, gehe ich nicht mehr spazieren. So cool bin ich dann doch nicht unterwegs.

Also habe ich angefangen, jeden Tag kurz um oder kurz nach 5 Uhr aufzustehen. Dann trinke ich meinen Morgenkaffee auf dem Balkon, mache 20 bis 30 Minuten Sport – Yoga oder Pilates, Wackelboard, was mich ruft, und einige andere “mental health Dinge”. Und dann – und das ist für mich ein weiteres Novum in vielen, vielen Jahren – frühstücke ich zu Hause in Ruhe mit meinem Kind.

Ich mache mir meistens Obstsalat mit griechischem Joghurt und Müsli, bisschen Proteinpulver, und er kriegt, worauf er Bock hat. Und ehrlich, das habe ich früher nie geschafft. Ich bin immer hungrig losgefahren und habe dann irgendwie auf Arbeit vorm Bildschirm gegessen. Und wie überraschend für mich (nicht): Es tut mir gut.

Das ist so eine wichtige Erkenntnis für mich – gerade im Zusammenhang mit AuDHS (Autismus und ADHS): Ich brauche diese Struktur. Ich brauche diese Rituale. Und wenn ich sie mir selbst schaffe, funktioniert es. Wenn ich darauf warte, dass sie von außen kommen oder dass ich sie „einfach so“ hinkriege – nee, tut’s nicht.

Das wird vielleicht im Januar wieder ganz anders sein oder im Februar. Aber ich lerne immer wieder – und vor allen Dingen anzuerkennen –, was mir guttut, und dass es vergänglich sein darf und wird.

Das Bestattungshaus – Eine überraschende Tür

Dann ist halt noch das Ding, dass ich im Dezember angefangen habe, in einem Bestattungshaus zu arbeiten beziehungsweise diesen Beruf mal kennenzulernen.

Auf die Hintergrunddetails gehe ich nicht weiter ein, es geht vor allem darum: Was mache ich nebenbei? Vielleicht mal wieder etwas, was nicht in einem großen Konzern stattfindet? (Nein, „nebenbei“ ist falsch – eigentlich am ersten Arbeitsmarkt, sagt man so schön.) Aus einem Scherz wurde dann: „Ich gehe in ein Bestattungsunternehmen.“

Warum dieser Job mich erfüllt

Es ist emotional und mental fordernd, ohne Frage. Ich habe mir viel zugetraut, und ich mache das bisher auch sehr gut.

Dieser ganze Papierkram macht mir Freude – zu gucken, ist alles zusammen, haben wir alles, ist alles richtig ausgefüllt. Können wir den Willen der Verstorbenen und Hinterbliebenen erfüllen, kommt alles zur rechten Zeit an den richtigen ort etc.

Ich bin auch sehr schnell reingekommen. Meine Chefin hat nach zwei Probedurchläufen gemerkt: „Ja, das brauchen wir bei dir nicht mehr groß üben.“

Ich habe auch Trauerreden geschrieben, die sehr, sehr gut ankamen, auch bei den Herren, die die Beisetzungen durchführten. Ich war bei Beratungen dabei, war im Krematorium, hab viele Wege erledigt. Leichen habe ich nicht abgeholt – das möchte ich aktuell nicht und per se auch nicht, weil: Der Beruf ist durchaus was für mich, aber in Summe erst, wenn mein Kind größer ist. Denn da habe ich mehr Zeit und (vielleicht) auch mehr mentale Kapazitäten.

Die Flexibilität, die ich (noch) nicht leisten kann

Die Flexibilität, die man da haben muss – sei es, dass die Polizei anruft und man jemanden abholen muss, oder Gespräche zu führen, die teilweise auch mal nachmittags oder außerhalb sind, oder Beisetzungen am Wochenende zu begleiten – das kann und will ich gerade nicht leisten mit einem Zehnjährigen zu Hause, den ich alleine begleite.

Ich habe mir große Mühe gegeben, nicht zu viele Erwartungen zu haben. (Denn mehr Erwartungen, mehr Enttäuschungen – holladiewaldfee, da bin ich.) Und das hat erstaunlich gut geklappt.

Gleichzeitig konnte ich meinem persönlichen Faible nachkommen: Ich habe für das Unternehmen AGB erstellt, Formulare upgedatet, Prozesse aufgeschrieben – weil das ist das, was ich kann und liebe. Und wo ich sehe: Viele kleine Unternehmen haben sehr viel Wissen, das nirgendwo steht. Was ist, wenn meine Chefin in Rente geht? Was ist mit dem Wissen? Das muss festgehalten werden. Das zündet in mir was an, was mich durchrauschen lässt und Dinger erledigen lässt, um die mich niemand bittet, über die sich aber alle freuen. Naja. Kann man bewerten, wie man will 😀

Was ich über mich und den Tod gelernt habe

Ich habe schon vor einiger Zeit mein Verhältnis zum Tod mit einer sehr tröstlichen Sichtweise bedacht (unter anderem durch dieses Buch). Das ist aber eine, die man akut trauernden Menschen nicht unbedingt sagen sollte, wenn man deren Glauben oder Ansichten nicht kennt.

Es ist halt so: Wenn 90-jährige Menschen im Heim einschlafen oder auf ihrem Rollator sitzend sterben, dann ist das okay. Bei vielen ist es wirklich eine Erlösung.

Aber ich habe in den letzten 3 Wochen für meinen Geschmack zu viele Fälle betreut, in denen sich junge Menschen von Mitte 20 bis Mitte 40 tot gesoffen haben, die elendig verreckt sind.

Ich habe das reflektiert, und ich habe auch psychologische Begleitung an meiner Seite. Was mich daran so fertigmacht: Ich bin seit fast sechs Jahren bei AA. Es ist nicht so, dass es mich überrascht, dass man an Alkohol stirbt. Ich weiß, wie elendig man daran verreckt, und ich habe in den Meetings auch Menschen erlebt, die Angehörige waren von Menschen, die sich mit Alkohol umgebracht haben.

Zu viele Gefühle gleichzeitig

In mir waren, das habe ich festgestellt, zu viele Gefühle gleichzeitig. Ich konnte die gar nicht verarbeiten. Das war einerseits und gleichzeitig das Mitgefühl für die Trauernden, aber auch die Empathie für den verstorbenen Menschen, die Scham, die Verzweiflung, die Überforderung, die Hilflosigkeit, gleichzeitig auch die Erleichterung – auch bei den Hinterbliebenen –, dass diese Qual vorbei ist. Auch für die Angehörigen ist es eine Qual. Es bleiben zu viele offene Enden, zu viel ungesagt. Das war ganz schön viel zu prozessieren.

Und gleichzeitig habe ich schnell gelernt, mich nicht für jede Lebensgeschichte zu interessieren. Ich konsumiere sehr bewusst, und aus „mental health Gründen“, keine Nachrichten. Im Bestattungswesen herrscht ein angenehmer Humor, und ich habe den bisher als sehr, sehr pietätvoll erlebt. Auch habe ich mir über manche Sachen nie Gedanken gemacht: dass man auch in einem Kremierungsofen auf einer Matratze liegt und zugedeckt ist (sonst würde man ja auch ganz schön rumpoltern beim Transport), dass die Sargschraube der „letzte Nagel“ ist – kein Nagel, sondern eine Schraube, und dass gerade die Menschen an der “Front” Psychohygiene auf ihre ganz eigene Weise betreiben müssen..

Diese Arbeit, diese Auseinandersetzung mit dem Tod – sie hat auch eine Tür geöffnet zu meiner eigenen Trauer. Zu dem, was mich dieses Jahr wirklich geprägt hat.

Faros Tod – Meine längste selbstgewählte Beziehung endet

Das ist der Tod meines Hundes im April, der nach fast 14 ½ Jahren an meiner Seite von mir gehen gelassen werden musste.

Meine längste selbstgewählte Beziehung. Ich war bis zum letzten Herzschlag bei ihm.

Collage aus drei Bilder von Hund Faro

Er hatte eine akute Bauchspeicheldrüsenentzündung – war nicht die erste, aber die schlimmste. Ich weiß noch, als die Blutwerte kamen, meinte die Tierärztin: „Mich wundert, dass der Hund überhaupt noch steht.“

Es hat viele Menschen sehr bewegt. Wir haben medizinisch alles ausgereizt. Er war halt auch einfach alt und angeschlagen. Und als dann selbst die krassesten Opiate zu sehr unangenehmen Paradoxwirkungen geführt haben, musste ich mich entscheiden, ihn jetzt einschläfern zu lassen.

Der Abschied und was danach kam

Ich bin sehr dankbar, dass mein Stiefvater uns abgeholt hat und dann auch begleitet hat und mich gehalten hat – oder wir uns, weil wir zwei waren seine größten Lieben. Ich war diesen ganzen Tag wie betäubt, ferngesteuert, dissoziiert. Als ich dann mit seiner Leine in der Hand alleine in meiner Wohnung stand und wusste, gleich muss ich es meinem Kind sagen: ich konnte nicht mehr atmen. Für viele Stunden. 

Und ich glaube, das ist nicht überraschend, wenn man so eine enge Beziehung hatte. Er ist nicht mehr da, aber eben doch: die angefangene Futterdose, das müffelnde Hundebett, die Pfotenabdrücke und Haare, die Zeiten, wo er eigentlich immer in der Tür saß und zwischen mir und der Küche hin und her schaute und sagte: „Hier, jetzt wäre Abendbrotzeit“ (die halte ich übrigens bis heute ein, 18 Uhr).

Seine Asche stand lange bei mir im Fensterbrett, bis wir es schafften, ihn zu beerdigen. An Heiligabend haben wir ein Würstchen auf seinen Grabstein gelegt. 

Grabstein, Licht und Blumen in einem Garten, Grab eines Hundes, Würstchen liegt auf dem Grabstein

Die Tage danach – Betäubung statt Trauer

Ich habe mich schon in den Monaten davor emotional vorbereitet, wusste, dass dieser Moment kommt. Und ich bin Alkoholikerin – das ist einer der Momente, in denen ich saufen könnte oder unheimlich depressiv werden kann.

Ich habe mich betäubt. Ich habe mich zwei Tage lang nur durch Instagram oder so eine Scheiße gescrollt. Ich war zu viel mehr nicht fähig, musste viel verarbeiten, habe viel an unsere tolle Zeit, aber auch manche nicht so tolle Zeit gedacht. Habe seine Schritte gehört. Ihn in den Wolken gesehen. 

Collage aus drei Bilder von Hund Faro

Und auch musste ich meinen Sohn begleiten. Ich habe ihn vorgewarnt, er wusste auch, dass das kommt, hat aber bei der Nachricht ein oder zwei Minuten geweint, und wollte mit niemandem drüber reden, für viele Wochen. Das war herausfordernder als gedacht. Ich hätte es lieber gehabt, wenn er seine Trauer rauslässt, aber ich kann sie nicht aus ihm auswringen.

Ich bin die erste Zeit oft morgens und abends weiter unsere Hunderunde gelaufen, halt ohne ihn. Sein Vermächtnis war groß und wirkt weiter. Diese Fellbombe hat einen großen Impact auf viele Menschen gehabt, und dafür bin ich einfach sehr sehr dankbar.

Ostsee – Mein Versuch zu trauern

Eine Woche nach Faros Tod hatte mein Kind Geburtstag, wurde 10. Die Osterferien hat er bei seinem Vater verbracht, und ich habe mein Dachzelt aufs Auto geschnallt und bin an die Ostsee gefahren. Ich habe die Bälle und Spielzeuge von Faro mitgenommen und auf einer Bank an “unserem” Strandeingang verteilt, als letzten Gruß. Er hat die Ostsee geliebt, und so war ich – ich glaube vier oder fünf Nächte – an der Ostsee in einem Ort, wo ich schon selbst seit 30 Jahren hinfahre, wo er auch so oft war. Ich nächtigte auf einem Parkplatz, roch und hörte das Meer, habe in den Wald gekackt, war in der Ostsee baden (mehrmals, war frisch :D) und habe für mich festgestellt: Das macht mir keine Angst, ich kann das alles sehr gut.

Und ich habe gedacht, ich kann da anfangen zu trauern. Das hat aber tatsächlich nicht so ganz geklappt.

Wenn Trauer sich nicht zeigen will

Ich meine, klar kamen manchmal Wellen der Traurigkeit, Gedanken und Tränen, gerade auch zu Ostern (Eier, er hat Eier geliebt) oder auch jetzt zu Weihnachten, er war ein Familienmitglied. Gestern, bei meiner Mama, wo er oft war, aufgewachsen ist, sein eigenes Hundebett hatte, da war es hart ohne ihn. Sonst war er mit seinem Weihnachtsglöckchen-Halsband dabei, hat sich auf die Innereien gefreut und den Ofen mit der Pute bewacht.

Aber mittlerweile kann ich damit besser umgehen. Und ich bin froh, dass ich da die Hilfe eines Freundes hatte, der mich quasi “fernmündlich” so in und durch diese Emotionen der Trauer geführt hat, sodass ich sie zulassen, prozessieren konnte. Das war sowieso ein krasser Moment: Ein Mann, den ich noch nie live gesehen habe, führt mich in diese Emotionen und kann mich halten, obwohl er gar nicht da ist. Da ist ganz viel geheilt.

Ist der Trauerprozess okay? Einfach? Nein. Bin ich aufgeräumter? Ja. Wird das niemals weg sein? Auch ja. Es gibt immer noch Dinge, die mich persönlich bewegen, aber dieser Kloß im Hals ist weg. Die Tränen, die raus wollten, konnten raus. Und ich rede immer noch ab und zu mit Faro. Logo. Ich habe das 14 Jahre lang gemacht, seine Seele ist noch immer da. Und er hat schlaue Dinge zu sagen 😀

Das war der eine Meilenstein dieses Jahr, der immer da sein wird beim Gedanken an 2025.

Frau in rotem Kleid mit ihrem braunem Hund vor weihnachtlicher Deko im Fotostudio
Ein Bild aus 2024.

Der Umzug – Vom Dorf in die Stadt

Der zweite Meilenstein war mein, unser Umzug von einem kleinen Dorf (ca. 400 Einwohner) in eine mittelkleine Stadt (ca. 10.000 Einwohner), da mein Kind hier aufs Gymnasium geht und ich ihm lange Busfahrten ersparen wollte. Und ich hatte auch keinen Bock mehr auf das Dorf, wo es mehr Nazis als Gullideckel gibt und mehr Brieftauben als Menschen, dafür aber null Infrastruktur. Ich bin an nichts gebunden, also – Aufbruch, Abbruch, Neuanfang.

Die körperliche und mentale Last

Dieser Umzug hat zum großen Teil stattgefunden in der Zeit, als mein Kind mit seinem Vater im Urlaub war, eine Woche Anfang Juli. Und ich habe mich wirklich abgerackert.

Die alte Wohnung übergabefertig zu machen. Die neue halbwegs bewohnbar zu machen. Der mentale und körperliche Load war enorm. Streichen, renovieren, putzen, aussortieren, packen, schleppen, auspacken, organisieren. Und zwischendurch immer wieder dieser Gedanke: „Schaffe ich das überhaupt?“ und “Huch, hab vergessen wie teuer manches ist.”

Danke an dieser Stelle ans Ritalin – sonst könnte ich bis heute nicht in den Keller. (Der wäre immer noch ein Chaos-Depot.)

Bilder Umzug

Mein Stiefvater – Eine verlässliche Vaterfigur

Ich bin so froh, dass ich die Hilfe von Freunden hatte (Danke, dass ihr den Muskelkater in Kauf genommen habt). Und vor allem: dass mein Stiefvater sich so viel Zeit genommen hat. Mit mir in dieser Bude Lampen anzubringen, wo kein Draht so reinmuss, wie er soll. Der mit seinem Vito immer wieder mit mir hin- und hergefahren ist. Der immer für mich da war – in jeder Phase dieses Umzugs, aber auch weit darüber hinaus. Er und meine Mama haben mir einen Teil des mentalen Ballast abgenommen, und wir sind an uns gewachsen.

Über die Jahre ist er für mich eine verlässliche Vaterfigur geworden. Jemand, auf den ich zählen kann. Jemand, der nicht weggeht, wenn es schwierig wird. Und für mein Kind ist er eine männliche Bezugsperson, die Dinge leistet, die zeigt, wie man Verantwortung übernimmt, wie man hilft, ohne dass man darum gebeten werden muss. Ein Opa, wie man ihn sich wünscht.

Diese Hilfe bekommen zu haben – oder vielleicht auch verdient zu haben – das bedeutet mir unendlich viel.

Die depressive Phase danach

Eigentlich wollte ich dann nach dem Umzug mit meinem Kind noch mal wegfahren, aber ich hatte null körperliche und mentale Kapazitäten, auch kein Geld mehr. Und es war so: Ich wusste, dass dieser Umzug uns entwurzelt und dass das neue Wurzeln schlagen dauert. Unsere Wohnung war und ist wieder ein safe space für uns. Der Ort, wo wir keine Masken tragen, sein können wie wir sind, wo nur wenige Menschen Zutritt haben, wo wir alles bestimmen.

Ich war nur nicht so gut darauf gefasst, wie sehr mich die kommende depressive Phase treffen würde.

Damit hat meine Therapeutin gerechnet, aber ich nicht. Muss ich wohl überhört haben, oder verdrängt… Und aus dieser Phase wieder rauszukommen war… auch wenn ich weiß, wie es geht… nicht ohne. 

Ich bin froh, dass ich es erkennen kann, also ich weiß, was zu tun ist, und mich auch manchmal da einfach reingeben kann. Nicht kämpfen, sondern annehmen. Und dann langsam wieder rauskommen.

Neue Wurzeln schlagen

Ich habe Zelte abgebrochen, neue aufgebaut, mich in meiner neuen Stadt etabliert (und gleich mal ein AA-Meeting gegründet). Meine Freunde haben geholfen, wo sie konnten. Ich konnte um Hilfe bitten. Aber diese Zeit steckt mir durchaus noch in den Knochen – und meinem Kind auch.

Also haben wir dann die restlichen 3 Ferienwochen in der neuen Stadt verbracht, ohne groß wegzufahren – Freibad, spazieren gehen, Fussball spielen, die Stadt kennen lernen (Infrastruktur ist schon geil :D). Und ja, ich glaube, so langsam haben wir uns eingelebt. Am Black Friday habe ich mir eine neue Couch geschenkt (ich hasse die alte). Meine Küche ist immer noch ein witziges zusammengewürfeltes Ding, aber ich liebe es. Ich liebe mein Bett Marke Eigenbau. Ich stoße mich nicht mehr ständig und vor allem, die Wohnung riecht nun nach uns. IYKYK.

Danach ging eine Zeit der Gewöhnung ins Land, das Kind begann an der neuen Schule, das war intensiv für uns beide. Nun sind wir im Alltag angekommen. Wir leben ein ruhiges Leben, reizarm, recht entspannt, und ich bewundere mich, uns da irgendwie auch. 

Dieses Jahr gab es noch andere Sachen – Dinge, wo ich auf beschissene Coachings reingefallen bin. Tolle Erfahrung. Mein Geburtstag war übelst schön, ich hatte rührende, bewegende AA-Meetings, ich bin innerlich unheimlich gewachsen. Ich habe vegetatives Training gelernt. Aber diese zwei Dinge, Faros Tod und der Umzug, sind die Momente, die mich in diesem Jahr erinnern werden, weil sie die prägnantesten Landmarken sind.

Die letzte Landmarke – Schweiz, Baby!

Und die letzte Landmarke kommt jetzt: dass ich über den Jahreswechsel mit meinem Kind zu einem Freund in die Schweiz fahre. 740 Kilometer pro Strecke, da habe ich schon auch Respekt vor.

Das Ding ist: Mein Arzt hat ein bisschen seine Arbeit verkackt, und ich kann mein Ritalin nicht mitnehmen, weil ich es nicht mehr rechtzeitig zum Gesundheitsamt geschafft habe. (Unsere Gesundheitsämter haben zwischen Weihnachten und Neujahr geschlossen – Überraschung!) Aber es ist, wie es ist. Es hat wohl alles seinen Sinn.

(Zur Einordnung: ADHS-Medikamente fallen unter das Betäubungsmittelgesetz. Wenn ich damit das Land verlassen will, brauche ich einen Schriebs meines Arztes, den das Gesundheitsamt unterzeichnen muss, dass ich das nehmen darf. Sonst mache ich mich strafbar, wenn ich das Zeug mitnehme  [und erwischt werde]. Hab ich keinen Bock drauf, muss ich nicht ausprobieren. Ich bin 38 ohne das Zeug geworden.)

Ich freue mich drauf. Ich freue mich auf die Zeit mit meinem Freund, auf die Zeit mit meinem Kind, auf eine Pause vom Alltag. Auf das, was kommt. Wir werden dort ein Projekt erarbeiten, worüber ich hier sicher auch bald schreiben werde. Das wird geil!

Und wenn da kein Schnee liegt, fahre ich wohin, wo es den gibt. Ich will Schnee!

Die Erkenntnis aus 2025: Ich bin meine Prio eins

Und da darf auch noch rein: Ich werde nicht aktiv am Jahresrrückblog von Judith Peters teilnehmen.

Und auch das ist eine große Erkenntnis für mich: Ich entscheide mehr danach, was mir guttut, nicht, was ich tun sollte.

Klingt lapidar, aber es ist wichtig. Es ist eine der wichtigsten Erkenntnisse dieses Jahres überhaupt.

Ich bin meine Prio eins. Dann kommt mein Sohn. Und dann lange nichts.

Und das ist okay so. Mehr als okay. Das ist gut so.


So, das war’s. Ein Jahr, zwei Landmarken, viele Erkenntnisse. Ich wünsche euch allen einen guten Rutsch – und dass ihr euch die Momente nehmt, die euch guttun. Egal, wie sie aussehen.